Als früheres Mitglied der Jury ist er ein exzellenter Kenner des Wettbewerbs, was ihm auch als Begleiter einer Reisegruppe zugutekommt, die mit ZEIT-Reisen als Premiere auf einer exklusiven Musikreise die Opernstars von morgen beim Lied-Finale und der Opern-Gala in der Tauberphilharmonie erleben kann. Im Interview mit DEBUT wurde deutlich, wie wertvoll die internationalen Erfahrungen und Kontakte von Ralf Tiedemann für den Gesangswettbewerb sind.
In 23 Jahren haben Sie als Chefredakteur von „Das Opernglas“ maßgeblich dazu beigetragen, dass dieses monatlich erscheinende Magazin zu einer der führenden internationalen Fachzeitschriften für Oper und klassische Musik wurde. Wie sehen Sie diese Zeit im Rückblick?
Tiedemann: Das Magazin hat sich unglaublich gut entwickelt. Meine Zeit dort war sehr prägend und bereichernd für mich, eine sehr herausfordernde und gleichzeitig sehr kreative Zeit, in der ich mich richtig „austoben“ konnte.Und es war natürlich ein großes Glück, an der Schnittstelle zu sein, um auch entscheiden zu können, was ich selber machen will. Für mich war beispielsweise die Begegnung mit den großen Künstlerpersönlichkeiten immer das Salz in der Suppe. Daher habe ich bei Interviews immer geschaut, was mich selbst reizen würde.
Haben Sie denn in 23 Jahren nicht alle Opernstars treffen können?
Tiedemann: Tatsächlich wurmt mich noch heute, aus zeitlichen Gründen drei Persönlichkeiten nicht interviewt zu haben: Luciano Pavarotti, Birgit Nilsson, Marilyn Horne. Ansonsten durfte ich praktisch alles kennenlernen, was in der Opernszene Rang und Namen hat, von den aktuellen Stars wie Joyce DiDonato oder Jakub Jozef Orliński - der übrigens 2016 hier bei DEBUT den 3. Preis gewann! - zu Opernlegenden wie Brigitte Fassbender, Plácido Domingo oder Joan Sutherland und ihrem Mann Richard Bonynge. Die Möglichkeit, derartige Künstlerpersönlichkeiten treffen und ausführlich mit ihnen sprechen zu können, war ein Geschenk und genau das, was mich heute noch bereichert und motiviert, diese persönlichen Erfahrungen an junge Künstler weiterzugeben.
Der Fokus war ansonsten auf die Premieren großer Opern- und Festspielhäuser gerichtet. Dabei gab es auch Erlebnisse in Orten, in denen man damit nie gerechnet hätte. Etwa in Kasachstans Hauptstadt Astana, wo es ein eindrucksvolles modernes Opernhaus gibt. Beeindruckend war auch das Opernhaus in Muscat im Oman, das sich quasi per Knopfdruck in einen Konzertsaal verwandeln lassen kann. Eine interessante Erfahrungen machte ich in Buenos Aires, wo am Teatro Colón die "Kurzfassung" von Wagners "Ring" zu einem siebenstündigen Kraftakt wurde. Besondere eindrucksvoll waren auch meine Reisen nach Fernost, etwa nach China oder Japan.
Worum geht es bei Ihren Workshops bei DEBUT?
Tiedemann: „Mindset“ und „innere Balance“ sind die zentralen Themen, für die es wahnsinnig einfache Tools gibt, die man für sich nutzen kann, um beispielsweise mit Druck und Nervosität umzugehen. Wir sind hier in einem Wettbewerb, was immer auch Konkurrenz bedeutet. Das Schöne hier ist die familiäre Atmosphäre, aber am Ende des Tages stehen wir allein auf der Bühne, müssen im richtigen Moment fit sein und unser ganzes Können abrufen.
Werden diese Kenntnisse an den Hochschulen vermittelt?
Tiedemann: Wenn ich regelmäßig die Studierenden danach frage, ist „Nein“ die häufigste Antwort. Heute habe ich gehört, dass die Hochschule Stuttgart psychologische Hilfe anbietet. Das finde ich vorbildlich.
Kommen Sie auch auf den aktuellen Wettbewerb zu sprechen?
Tiedemann: Da gibt es viele Aspekte, die eine Rolle spielen. Etwa die Frage, wie komme ich nach einer Aufführung mit dieser hoch schwingenden Energie mit viel Adrenalin wieder runter? Oder auch, wie gehe ich mit der Bewertung um, die ich von der Jury bekommen habe? Ein gutes Mindset mit den richtigen Tools, die durchaus sehr individuell sein dürfen, kann am Ende den großen Unterschied bei der Karriere ausmachen.
Wie wichtig ist es denn der Jury, den Sängerinnen und Sängern zu erklären, warum sie im Wettbewerb nicht weitergekommen sind?
Tiedemann: Die Jury legt großen Wert darauf, den Sängern zu vermitteln, was sie verbessern können. Es geht eben nicht darum, nur zu sagen, was schlecht war. Es geht um Support und Weiterentwicklung. Ich sage den Sängern übrigens oft, es geht nicht nur um den richtigen oder falschen Ton, sondern vor allem auch um die Energie, die das Publikum spüren lässt, ob man die im Stück eingeschrieben Emotionen zu verkörpern vermag, und ob der Zuhörer davon berührt wird oder nicht.
Sie kennen viele Gesangswettbewerbe. Wie ordnen Sie DEBUT ein?
Tiedemann: Das Besondere ist die familiäre Atmosphäre. Man trifft sich ständig, sitzt abends vielleicht noch zusammen und ist auch als Jury-Mitglied immer ansprechbar. Dies ist ein Unterschied zu vielen großen Musikwettbewerben, wo man die Jury in der Regel nicht so oft trifft. Hier bekommt man sogar beim laufenden Wettbewerb noch Tipps. Wir wollen schließlich, dass die Teilnehmer ihre beste Version präsentieren. So kann es sogar in nur einer Woche eine große Weiterentwicklung geben. Außerdem zeichnet sich DEBUT dadurch aus, dass die Kategorie Lied durch ein eigenes Finale als gleichwertiger Wettbewerb neben der Opern-Gala in den Blickpunkt rückt. Das ist ein Verdienst von Clarry Bartha, die nicht nur großen Wert auf ein stets wechselndes Repertoire, sondern auch auf das zeitgenössische Lied legt - mit einer eigens in Auftrag gegebenen neuen Komposition, die jeder Sänger studiert haben muss.
Was machen Sie eigentlich mit Ihrem Insider-Wissen gegenüber Ihrer ZEIT-Reisegruppe?
Tiedemann: Das werde ich selbstverständlich im laufenden Wettbewerb nicht weitergeben. Aber ich kann natürlich sagen, wie DEBUT funktioniert, worauf geachtet und nach welchen Kriterien ausgewählt wird.
Ich werde übrigens mit den Gästen ein internes Voting und eine Gruppen-Auswertung machen, wenn die Gewinner feststehen. Ich denke, alle werden mitmachen. Besonders freue ich mich dann auf die abschließende Diskussion. ferö
Am Donnerstagabend fand unser Liederabend in der Tauber Philharmonie in Weikersheim statt. Die Sängerinnen Hannah Gries, Barbara Skora, Yejy Nam, Defne Celik, Lubov Karetnikova und Rahel Brede mussten in der Kategorie Deutsches Lied/Lieder aus Osteuropa und den baltischen Staaten sowie das eigens für DEBUT 2024 von Adrian Mocanu komponierte zeitgenössische Lied jeweils zwei Lieder vortragen.
Gleich in zweifacher Funktion ist Ralf Tiedemann, langjähriger Chefredakteur des Fachmagazin „Das Opernglas“, beim diesjährigen DEBUT-Gesangswettbewerb engagiert. Zum einen unterstützt er neben Pia-Marie Nilsson, die den künstlerischen Bereich abdeckt, als ganzheitlicher Coach die eingeladenen 37 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Qualifikationsrunden.
38 junge Talente treten am Montag, 23. September in Weikersheim bereits zum zwölften Mal den Wettbewerb um die Goldene Viktoria an, die mit einem Preisgeld von 10.000 € für das Bestehen diverser Auswahlrunden verbunden ist.